Türkisblaues Wunder

Mein Wald, mein Wasser, mein Weg

Das Rauschen des Wildensteiner Wasserfalls erzählt uns, was sich hier einst begeben haben soll: Eine verwunschene Jungfrau erschien an einem Sommertag einem Hirtenjungen, der sein Vieh in der Nähe der Ruine Wildenstein weidete, und versprach ihm reiche Schätze, würde er sie erlösen. Dazu sollte er das erste Tier, das ihm auf dem Heimweg begegnete, küssen. Doch das war ausgerechnet eine gekrönte Schlange! Der Hirtenjunge traute sich nicht und die Jungfrau erschien ihm abermals und klagte: „Weil du mir nicht gefolgt hast, muss ich noch so lange auf meine Erlösung warten, bis zu Wildenstein eine Fichte mit drei Wipfeln erwachsen ist. Aus den Brettern ihres Stammes wird dereinst eine Wiege gezimmert, in welcher mein Erlöser schlummern soll.“

Eine Fichte mit drei Wipfeln also – vielleicht entdecken wir sie ja, während unser Blick wandert: Von der Gischt eines der höchsten freifallenden Wasserfälle Europas, aufgefangen in einem türkisblauen Becken im Gestein, über Felsen, in denen wir vielleicht einen Blick auf Ammoniten und andere Versteinerungen vergangener Jahrmillionen im roten Jurakalk erhaschen können, auf eine berührend schöne Vegetation. Seltene Orchideen und grünes Koboldmoos lassen uns leicht glauben, dass wir in einer Sagenwelt gelandet sind.

Und noch ein Fabeltier fasziniert uns hier. Smaragdgrün ist es, scheu und selten. Und es existiert tatsächlich! Meist schenken wir ihnen wenig Aufmerksamkeit: Regenwürmer gibt es viele auf der Welt – am Wildensteiner Wasserfall aber gibt es sie auch in allen Grüntönen. Möglichst unberührte, feuchte Wälder mit Moosen und viel Totholz lieben diese besonderen Gesellen, die erst im Alter von zwei bis drei Jahren ihre prächtige Färbung annehmen. Was für ein Glück, dass unser Weg uns genau hier vorbeiführt!

Das Rauschen des Wassers wird vom Rauschen der Buchenwälder abgelöst. Auf unserem Weg ins Freibachtal überqueren wir den Kleinobir und freuen uns über die weiten Ausblicke, die er uns eröffnet. Auch hier wurde Bergbau betrieben, nach Zink und Blei geschürft. In schweren Ledersäcken wurde das Erz ins Tal geschleift. Wir haben es leichter – wir wandern über den Jagoutz-Sattel und kommen zum Stausee.

Am Freibach, der jahrhundertelang Mühlsteine gedreht, Eisenhämmer bewegt und Sägen angetrieben hat, wurde in den 1950er Jahren ein Speicherkraftwerk errichtet und der Bach gestaut. Dort, wo heute der See liegt, war einst ein Weiler. Nun stehen die Häuser am Grund des Stausees. Kristallklar ist das Wasser – das finden nicht nur Forellen und Saiblinge gut. Auch Taucher sind hier gern unterwegs und besuchen die Muscheln, die mittlerweile die Mauerreste überziehen.

Auf unserem naturnahen Weg entlang dem See gibt‘s Abkühlung und Erholung.

Wer mag, kneippt. Wer nicht, genießt einfach die sagenhafte Atmosphäre am Wasser und im Wald, wo Fossilien und Fabelwesen hausen.


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